Die zwei Göttinnen

Updated

Es waren einst zwei benachbarte Familien, die sehr, sehr nett und sehr, sehr gütig zueinander waren. Beide Ehemänner und Ehefrauen standen sich sehr nahe. Ebenso waren beide Familien sehr reich. Wie wurden sie reich? In einer Familie betete die Ehefrau zur Göttin des Reichtums: “Oh Göttin des Reichtum, komm und mach mich reich; komm und mache meinen Ehemann reich!“ Schließlich erschien die Göttin vo ihr und die Frau flehte sie an: „Bleibe immer bei mir.“ Die Göttin tat, worum sie gebeten wurde, und dadurch wurde diese bestimmte Ehepaar sehr, sehr reich.

Die andere Ehefrau betete zur Göttin der Not: „Oh Göttin der Not, komme niemals zu mir! Ich möchte immer glücklich sein.“ Die Göttin der Not erschien vor ihr und sprach: „Ich bin hier um dir mitzuteilen, dass ich nie mehr zu dir kommen werde.“ So wurde auch dieses Paar reich, da die Göttin der Not niemals zu ihnen kam.

Es begab sich, dass als ein drittes Paar in das selbe Dorf zog, die Frau sah, dass diese beiden Paare sehr, sehr glücklich waren. Heimlich fragte sie beide Ehefrauen, wie sie so reich geworden waren. Als sie es ihr gesagt hatten, beschloss sie ebenfalls mit dem Beten zu beiden, der Göttin des Reichtums und der Göttin der Not, zu beginnen, und hoffte, dass wenigsten eine der beiden Göttinnen das Notwendige tun würde. Sie betete: “Oh Göttin des Reichtums, bitte komm zu mir! Oh Göttin der Not, bitte komme niemals zu mir!“

Nachdem die Ehefrau für einige Tage gebetet hatte, erschienen plötzlich beide Göttinnen gemeinsam vor ihr. Die Frau war so glücklich und entzückt. Sie sagte zu ihnen: „Ich bin so dankbar, dass ihr beide gekommen seid.“ In ihrer Aufregung verwechselte die Frau die Göttin des Reichtums mit der Göttin der Not und sprach zu ihr: “Bitte komme nie wieder hierher. Ich will und brauche dich nicht.“

Dann sagte die Frau zur Göttin der Not, welche sie für die Göttin des Reichtums hielt: “Bitte bleibe hier. Ich werde dir so dankbar sein.“

Die Göttin der Not sagte: “Du willst mich? Gut, ich werde bei dir bleiben.“

Die Göttin des Reichtums sagte: „Du willst mich nicht? Dann werde ich für immer fortgehen.“

So wurde die Frau für den Rest ihres Lebens unglücklich.

[Sri Chinmoys Kommentar:]

Die Moral von der Geschichte lautet, dass du wissen musst, für was du betest, wenn Gott schließlich kommt und vor dir steht. Ansonsten bittest du vielleicht um das Falsche, wenn du aufgeregt bist.

Wahrlich fortgeschrittene spirituelle Sucher wiederum werden Gott stets um die richtigen Dinge bitten. Vivekananda war so arm, dass er mit seinen Einkünften nicht auskam. Als er Ramakrishna um Wohlstand bat, sagte Ramakrishna zu ihm: “Ich kann Mutter Kali nicht um Wohstand bitten, aber du gehe hin und frage sie.“

Sobald Viekananda in den Tempel eintrat, um zu beten, konnte er sich nicht dazu bringen, Mutter Kali um Geld zu bitten. Er bat: „Gib mir Strebsamkeit. Gib mir die Stimme des Gewissens.“

Als Vivekananda zurückkehrte, sagte Ramakrishna: “Was hast du getan? Warum hast du nicht um materiellen Wohlstand gebeten?“

Daraufhin ging Vivekananda ein zweites Mal zum Tempel, aber wieder konnte er nicht um Wohlstand bitten. Schließlich sagte er zu Ramakrishna: “Ich kann nicht um diese materiellen Dinge bitten.“
Dies ist der Unterschied zwischen Vivekananda und der unglücklichen Dame.

Ramakrishna sagte: „Ich wusste es, ich wusste es, dass du niemals in der Lage sein würdest, Mutter Kali um materiellen Wohlstand zu bitten. Aber Mutter Kali ist so zufrieden mit deiner Strebsamkeit, dass sie sich von nun an um deine Familie kümmern wird.“

Nach diesem Vorfall litt Vivekananda niemals unter finanziellen Schwierigkeiten. Zuvor hatte er gelitten, da all seine Verwandten sich gegen ihn gewandt hatten, und ihm nicht helfen wollten. Dann, durch Mutter Kali, war er in der Lage seine Familie zu unterstützen. Vivekananda war eine göttliche Seele, daher bat er um das Richtige und erhielt das Richtige: spirituellen Reichtum. Mutter Kali war so zufrieden, dass sie nicht nur seine spirituellen Bedürfnisse erfüllte, sondern auch die grundlegenden materiellen Bedürfnisse seiner Familie.

Aus dem Buch: Illumination-experiences on Indian soil, part 1, Sri Chinmoy, Agni Press, 1974
Übersetzung: Magdalena Lewosinska
Bild: stephen-knapp.com